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Das Leben

„Wie das Leben durch die Welt wanderte“. [7 KB]

– Ein afrikanisches Märchen.

Eines Tages begab sich das Leben auf eine große Reise. Es dauerte ziemlich lang, bis es zu einem Menschen gelangte. Der Mensch sah´ elend aus, hatte geschwollene Glieder und war nicht in der Lage, sich zu bewegen. Der Mann blickte auf und fragte missmutig: „Wer bist du“? „Ich bin das Leben“. „Oh, wenn du das Leben bist, so kannst du mich doch sicher gesund machen?“ fragte der Schwerkranke. „Ja, das kann ich, aber du wirst mich und deine Krankheit bald vergessen!“ „Niemals werde ich dich und meine Krankheit vergessen!“ rief der arme Mann aus.
„Gut, ich will in sieben Jahren zurückkehren und schauen, ob das, was du gesagt hast, wahr ist.“ Und das Leben nahm Staub vom Wege und streute es über den Kranken. Im selben Augenblick war der Mann geheilt.

Das Leben zog nun weiter und begegnete wieder einem Kranken, einem, der die Lepra hatte. „Wer bist du?“ fragte der Leprose. „Ich bin das Leben.“ „Wenn du das Leben bist, könntest du mich ja gesund machen!“ „Ja, das könnte ich, aber du wirst mich und deine Krankheit sehr bald vergessen!“ „Nein, niemals wird das geschehen, nach alldem, was ich durchgemacht habe, wie sollte ich diese schlimmen Jahre vergessen?“ „Gut, ich komme in sieben Jahren wieder. Da werde ich ja sehen, ob es stimmt, was ich gesagt habe!“ Nachdem das Leben den Kranken mit dem Staub der Erde bestreut hatte, ging es wieder auf Wanderschaft.

Nach vielen Tagen kam es endlich zu einem Blinden. „Wer bist du?“, fragte der Blinde. „Ich bin das Leben.“ „Das Leben!“ rief der Blinde erfreut. „Bitte, gib mir das Augenlicht wieder!“ „Das will ich tun, aber du wirst mich und deine Krankheit bald vergessen haben!“ „Nein, mein ganzes Leben will ich dir dankbar sein und immer an dich denken, auch daran, wie schlecht es mir früher gegangen ist!“ „Gut“, sagte das Leben, „nach sieben Jahren werden wir ja sehen!“ Der Blinde erfuhr nun die Heilung auf gleiche Weise wie der erste Kranke und der Leprose.

Die sieben Jahre waren schnell vorüber, und das Leben machte sich wiederum auf die Reise, um die drei Geheilten zu besuchen. Es verwandelte sich in einen Blinden und ging zuerst zu dem Menschen, dem er das Licht der Augen geschenkt hatte. „Bitte, lass mich bei dir in deinem Hause übernachten“, bat das Leben. „Was fällt dir ein?“ schrie der Mann. „Scher dich weg, du armseliger Krüppel. Solche Leute wie dich braucht unsereiner nicht!“ „Sieht du“, sagte das Leben, „vor sieben Jahren warst du auch blind. Damals habe ich dich geheilt. Erinnerst du dich an dein Versprechen, mich und die Krankheit niemals zu vergessen?“ Das Leben nahm wieder ein wenig Staub von der Erde, streute es auf den Kopf des Mannes, - und er war wieder in der Finsternis seiner Blindheit gefangen.

Dann ging das Leben weiter und kam zu dem Menschen, den er vor sieben Jahren von der Lepra geheilt hatte. Das Leben verwandelte sich in einen Aussätzigen und bat um Obdach. „Scher dich weg!“ schrie der Mann, „du wirst mich noch anstecken“. „Ach so“, seufzte das Leben. „Wie war das vor sieben Jahren, als du selbst noch aussätzig warst? Du hast es vergessen und mich, das Leben, dazu!“ Und das Leben streute Sand auf den Weg des Mannes, und in diesem Augenblick kam die böse Krankheit wieder zurück.

Schließlich verwandelte sich das Leben in einen Menschen, dessen Glieder so geschwollen waren, dass er sich kaum rühren konnte. Mühsam schleppte sich das Leben zu dem Menschen, der zuerst von ihm geheilt worden war. „Könnte ich bei dir übernachten?“, fragte das Leben. „Gern, komm herein“, lud der Mann das Leben ein. „Setz dich hin oder leg dich hin, wie es für dich bequemer ist. Ich will dir eine gute Mahlzeit bereiten. Ich weiß, wie dir zumute ist. Vor sieben Jahren hatte auch ich dieses Leiden und wurde auf wunderbare Weise vom Leben geheilt. Es wollte nach sieben Jahren wieder zurückkommen. Es kann nicht mehr lange dauern, dann wird es hier erscheinen. Wenn du so lange bei mir bleibst, kannst du vielleicht auch von ihm geheilt werden! Es wird dir sicher helfen können!“

„Ich bin das Leben, guter Mann, und du bist der einzige unter den geheilten Menschen, die mich und die Krankheit nicht vergessen haben. Deshalb sollst du auch für immer gesund bleiben!“ Das Leben verabschiedete sich und meinte zum Schluss: „Das Leben wandelt sich ständig. Oft wird aus Glück Unglück und Not verwandelt sich in Reichtum, und Liebe kann zu Hass werden. Niemand sollte das vergessen. Leb wohl!“.